EDEKA, die Liebe und das Universum
„Schön, dass Sie unsere Liebe teilen.“ steht jetzt am Eingang meiner Kaufhalle über einem großen gelben Herz, welches sich dank surrender Tür-Automatik tatsächlich vor mir teilt, wenn ich den Laden betrete. Grrrrrrr … Nicht genug, dass es drückend heiß ist und einem die Klamotten am Leibe kleben – jetzt werde ich auch noch vom bräsigen Trothaer Edeka aufdringlich angeherzt! Ja, die wollen und müssen ihren Kramladen irgendwie mit Bedeutung aufladen, um sich von den anderen Kramläden abzuheben. Ich bin ja auch froh, dass es sie noch gibt angesichts der immer näher rückenden Lidl-, Netto- und Penny-Einschläge. Aber müssen es immer gleich die ganz großen Gefühle sein, die mich beim leidlichen Zusammenklauben von Knoblauch, Keks und Klopapier begleiten sollen?
Aber stopp mal – ist Liebe eigentlich ein Gefühl? Kann Liebe nicht auch die klare Wahl eines reifen Bewusstseins sein, um in eine Haltung tiefer, friedvoller Verbundenheit mit den Wesen um mich herum zu kommen? Der eine oder andere krass Erleuchtete ist sogar der Meinung, dass das Universum als solches aus Liebe besteht und dass es lediglich sozialisationsbedingte Konditionierungen sind, die uns daran hindern, dies in jedem Moment unseres Daseins zu vergegenwärtigen und unser Leben entsprechend darauf auszurichten…
All das beschäftigt mich, nachdem ich mir einen Wagen geschnappt habe und damit die Obst- und Gemüseabteilung ansteuere.
Nehmen wir also mal an, die krass Erleuchteten hätten Recht: Kann dann der Trothaer Edeka – sofern er denn tatsächlich ein Teil unseres Universums ist – nicht durchaus von mir verlangen, dass ich eine universelle Qualität namens Liebe mit ihm teile? Und: Was heißt das für meinen Einkauf? Wie kann ich mich gegenüber dieser erhabenen Anmutung verhalten?
Vielleicht indem ich lächle – die anderen Knoblauch-, Keks- und Klopapier-KlauberInnen freundlich anlächle, wenn sie meinen Weg kreuzen! Noch ganz begeistert von dieser meiner Antwort auf den Ruf des Universums vergeht mir bei der Ankunft beim Obst jedoch sofort das Lächeln: Da liegen die letzten Erdbeeren dieses Sommers in kümmerlichem Zustand und eine Dame gibt ihnen den Rest, indem sie jede einzelne anfasst, mitunter gar ein wenig prüfend drückt, um sie dann – je nach Ergebnis ihres schonungslosen Tests – in ihre Schale oder aber zurück in die Auslage zu legen. Sofort fällt mir ein Satz mit dem Charme eines Giftpfeils ein, den ich im Vorbeigehen fallen lassen könnte – aber ich wollte mich ja der Liebe anheim geben… Was also tun?
Liebe beginnt bekanntlich mit Selbstliebe – also schenke ich, einen Augenblick verweilend im erfrischenden Hauch der Klimaanlage, der Woge des Ärgers in mir empathische Aufmerksamkeit und erkunde die Bedürfnisse dahinter. Anschließend gelingt es mir sogar, Vermutungen zu den wertvollen Bedürfnissen hinter dem Anfassen von Erdbeeren anzustellen, und ich beschließe, mich nicht mehr zu ärgern – weil ich ja auch gar nicht vorhatte Erdbeeren zu kaufen! Meinen Weg zwischen den Auslagen fortsetzend lächle ich schon wieder und manch eine/r lächelt sogar zurück!
Beziehe ich nicht nur Menschen, sondern auch Tiere in die Haltung von Liebe und Verbundenheit mit ein, ergeben sich weitere Handlungsmöglichkeiten: Super „Haferdrink“ anstelle von Milch – super Tofu anstelle von Schinken aus industriellen Mastbetrieben.
Auf der Suche nach der von mir favorisierten Sorte Tofu frage ich eine Mitarbeiterin, die mir sagt, dass Tofu zwar bestellt, jedoch noch nicht eingetroffen ist. Mit verschwörerischer Mine teilt sie mir mit, dass sie noch eine Packung auf ihrem Palettenwagen zu liegen hat. Theatralisch eröffne ich ihr, dass sie mir den Tag gerettet hat und wir brechen in herzhaftes Lachen aus, das laut kaufhallend durch den Supermarkt schallt.
Mich im Rhytmus der allgegenwärtigen Hintergrundmusik bewegend geht es nun in Richtung Kasse. Am Ende noch ein Lächeln für den Kassierer, vor dessen Job ich – gerade an einem so heißen Tag wie heute – großen Respekt habe.
Nein danke, kein Interesse an einer Deutschland-Card – soweit geht die Liebe dann doch nicht!
Foto: André Gödecke