Wir hatten wieder mal eingeladen zu Dazusetzen & Mitreden, also zum Dialog im Sinne von achtsam sprechen und zuhören. Unser Gastgeber, ein Stadtteilzentrum, hatte Pizzabacken organisiert und einen DJ engagiert. Dieser rückte mit einem Stapel alter DDR-Schallplatten an, weil man davon ausging, dass vor allem Senior:innen aus der Nachbarschaft der Einladung zum Bürger:innendialog folgen werden.
So kam es denn auch – und es stellte sich im Laufe des Dialogs heraus, dass einige wenige von ihnen offenbar nur erschienen waren, um sich als verängstigte Opfer des „Zustroms von Ausländern nach der Wende“ zu präsentieren und ordentlich Frust abzulassen.
In meiner Rolle als Moderator intervenierte ich klar und deutlich und stoppte diese Rethorik – konnte jedoch nicht verhindern, dass eine Teilnehmerin mit türkischen Wurzeln die Runde verließ, nachdem sie, emotional ziemlich aufgewühlt, zum Ausdruck brachte, DASS SIE ES SATT HAT, immer wieder als Sündenbock für irgendwelche „schlimmen Ausländer“ herhalten zu müssen.
Das tat mir sehr weh und es fiel mir schwer, die Balance zu halten zwischen meiner Rolle als Moderator und dem Impuls, in dem Moment einfach nur wütend alles abfackeln zu wollen: Scheiß auf Empathie und „Respekt gegenüber dem Alter“ – ich dulde keinen Rassismus bei Dazusetzen & Mitreden!
Dennoch gaben ein Mitstreiter und ich uns während des anschließenden informellen Teils der Veranstaltung einen Ruck und setzten uns zu den älteren Herrschaften, um zu erkunden, was sie nach dem Eklat bewegt – und um ihnen nochmal darzulegen, wie wir die Situation erlebt und empfunden haben. Es entwickelte sich ein intensives Gespräch, das sich im Wesentlichen darum drehte, inwieweit Aussagen, die vorgeblich nicht rassistisch GEMEINT waren, in ihrer Wirkung doch rassistisch SIND, weil sie bei von Rassismus betroffenen Personen nun mal Unbehagen und Schmerz auslösen.
Der Grundton dieses Gespräches war emotional und nachdenklich zugleich, und im Nachhinein bin ich froh, es noch geführt zu haben. Aber ich bin auch froh, meine Wut nicht unter einer Maske aus sogenannter Professionalität oder falsch verstandener Neutralität verborgen gehalten zu haben.
Ich glaube, die kommenden Wochen und Monate werden sehr herausfordernd und lernintensiv – und ich bin froh, dass es immer mehr Menschen um mich herum gibt, mit denen ich über all das in offenem Austausch sein kann – die mir auch immer wieder Mut machen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
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